Humangenetik: Genetische Beratung und Diagnostik
Die Kenntnisse über die genetischen Grundlagen von Krankheiten haben in den letzten Jahren beachtlich zugenommen. Aktuell sind in der OMIM-Wissensdatenbank 7.123 Krankheitsbilder mit bekannter molekularer Basis und 4.605 Gene, die mit Krankheiten assoziiert sind, aufgelistet.
Dieser Wissenszuwachs über genetisch bedingte, erbliche Erkrankungen und deren molekulare Ursachen ging einher mit der Entwicklung zahlreicher neuer Technologien wie der Hochdurchsatz-Sequenzierung (sog. NGS-Sequenzierung). Hierdurch haben sich vielfältige neue diagnostische Möglichkeiten ergeben.
Das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Gespräch im Rahmen einer genetischen Beratung soll helfen, das für die Fragestellung am besten geeignete diagnostische Testverfahren zu finden, und die Patienten bei der Entscheidung hinsichtlich einer genetischen Diagnostik zu unterstützen.
Durch die Identifizierung einer pathogenen Variante wird eine klinische Verdachtsdiagnose genetisch gesichert. Hierdurch werden oft lange Odysseen bis zur Diagnosestellung beendet, die bei seltenen, genetisch bedingten Erkrankungen im Durchschnitt sieben Jahre dauern.
Aus der Kenntnis der pathogenen Variante können auch Informationen über das Spektrum der klinischen Manifestationen und über den Krankheitsverlauf abgeleitet werden, um rechtzeitig medizinische Maßnahmen ergreifen zu können.
Daneben kann eine Gendiagnostik Auskunft darüber geben, ob ein Patient eher auf eine geplante Therapie anspricht; bei einigen Medikamenten muss eine Gendiagnostik vor Therapiebeginn erfolgen und wird dann als Begleitdiagnostik (Companion Diagnostic) bezeichnet.
Wenn eine pathogene Variante in der Familie bekannt ist, können Verwandte gezielt auf eine mögliche Trägerschaft für diese Variante untersucht werden. Bei Nachweis der familiär bekannten Variante können für asymptomatische Personen die Krankheitsrisiken durch frühzeitige und regelmäßige Kontrolluntersuchungen oder prophylaktische Maßnahmen reduziert werden.